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lebenswerte Stadt planen – in eigener Sache

Neulich erschien im Blog der Seite CritiCity ein Interview mit mir, dass ich Euch nicht vorenthalten will.

Wir diskutieren ja gerade wieder ganz viel über Dieselfahrverbote und die Rolle des Autos in der Stadt der Zukunft. Ich bin davon überzeugt, dass die Beschwörungen von Autoindustrie, Autolobby einschließlich der momentanen Regierung, dass autonom fahrende Autos und der Elektromobilität die Zukunft für die Stadt seien, schlichtweg zu kurz gedacht sind. Wenn man die Diskussionen verfolgt, gibt es drei große Themen: 1. Platz, 2. Energieeffizienz und Umgang mit Ressourcen, 3. Stadterleben. Für alle drei Themen bietet das individuelle KFZ, egal mit welchem Antrieb und egal, durch wen oder was gesteuert, keine Lösung. Individuelle Mobilität mit Autos verbraucht zu viel Platz. Sie trägt zur Ressourcenverschwendung bei und verhindert eine Stadt, in der es sich angenehm leben lässt.

Lebenswerte Stadt ist immer eine Stadt der zu Fuß Gehenden und der Radfahrenden. Mehr dazu in diesem Inteview:

Heimat messbar machen

Ich merke es in meinem Blog „Platzmachen“ oder auch, wenn ich für den Bildertanz Reutlingen schreibe: kontrovers wird es immer dann, wenn es um konkrete Orte geht, seien es Städte oder Brunnen oder Plätze. Das war beim Beitrag über den Listbrunnen in Reutlingen so und auch bei dem über das Radfahren in Mannheim. Wir mögen es nicht, wenn sich jemand „Fremdes“ vermeintlich negativ über unsere Stadt auslässt. Das hat möglicherweise etwas zu tun mit mit Lokalpatriotismus oder Heimatverbundenheit oder überhaupt Heimat. Dies führte mich zur Frage, was das mit der Heimat ist?

Über den Begriff selbst tobt aktuell ein Kampf um die Deutungshoheit. Nicht nur der Heimatminister im großen Berlin, der Heimat vor allem als etwas Ausgrenzendes versteht, reklamiert den Begriff für sich – auch die Grünen und der NABU neuerdings. Dabei ist der Heimatbegriff, ohnehin eine ziemlich deutsche Erfindung, noch gar nicht so alt. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert bekam er erstmals nennenswert Gewicht. Berühmte und weniger berühmte Menschen haben sich über ihn ausgelassen. Und je mehr man über ihn liest, je deutlicher wird, Heimat ist für jeden Menschen etwas anderes. Im wundervollen Film „WEIT. Die Geschichte von einem Weg um die Welt“ von Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier – der, obwohl Reisefilm, vor allem über Heimat erzählt – sprechen verschiedene Menschen über ihr Bild von Heimat. Die Erkenntnis daraus? Heimat ist manchmal FAMILIE, aber doch irgendwie größer als FAMILIE, mehr als ZUHAUSE oder HEIM oder das eigene STADTVIERTEL. Heimat ist kleiner als das LAND. Es geht um irgendetwas dazwischen.

Daraus folgen Fragen: Kann man sich Heimat aussuchen? Kann man mehrere Heimaten haben? Was ist, wenn man die Heimat verloren hat? Kann man seine Heimat hassen? Kann man heimatlos sein? Irgendwie geht es um einen emotional aufgeladenen, nicht genau definierbaren Ort, der für jede und jeden etwas anderes ist. Das macht es so schwierig, darüber zu diskutieren.

Neulich habe ich einen Blog entdeckt, der sich zur Aufgabe gemacht hat, Heimat messbar zu machen. CRITICITY: Bewerte Deine Stadt. http://www.criticity.de

Das Städtebewertungsportal ist seit Ende 2017 im Netz und will Städte vergleichbar machen. Nun lässt sich einwenden, dass es schon viele Bewertungsportale gibt und mittlerweile fast alles – Restaurants, Ärzte, Firmen, Krankenhäuser, Hotels – bewertet werden kann, was nicht zwangsläufig zu mehr Klarheit führt. Für manche der Bewerteten ruiniert eine schlechte Bewertung den gesamten Ruf. In Zeiten maximaler Transparenz durch das Internet nicht einfach. Auch Städterankings gibt es schon: Die zehn schönsten Kleinstädte oder die zehn lebenswertesten Städte der Welt und so weiter. Wer auch immer da wie bewertet, die Kriterien sind mitunter kaum nachvollziehbar. So wurde 2018 München zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt. Wenn man die exorbitant hohen Mieten Münchens bedenkt, dann müsste es eigentlich deutliche Abstriche bei der Lebensqualität geben. Denn was nutzt eine Stadt mit schönen Grünflächen, einem sauberen ÖPNV, einem guten Geschäftsklima und guten Gastronomieangeboten, wenn sich eine normal- oder sogar gut verdienende Familie das Leben in der Stadt gar nicht leisten kann, weil die Miete das meiste Geld verschlingt? Genau das hatten die angereisten Bewerter aber offensichtlich nicht bewertet.

CRITICITY geht einen etwas anderen Weg: Städte werden nicht von außen bewertet, sondern durch die Menschen, die darin wohnen. Es gibt ausreichend viele Kriterien, wie Sicherheit, Lebenshaltungskosten, Wohnen, Arbeitsmarkt, Stadtbild, Sport- und Freizeitangebot, Verkehr und Transport, Gastronomie und Nachtleben, Umland und Natur, Bildung, dazu noch einige Zusatzfragen. Damit lässt sich ein guter Durchschnitt ermitteln. Je mehr Menschen mitmachen, je mehr greift die Schwarmintelligenz – die Bewertung nähert sich einer weitgehenden Objektivität an. Schön ist, dass so auch kleine Städte und Dörfer bewertet werden können und wer Lust hat, kann auch noch ein bisschen mehr zu seiner/ihrer Stadt schreiben. Im besten Fall könnte das eigene Feedback sogar Veränderungen anstoßen. Das zumindest erhoffen sich die Macherinnen und Macher.

Hier schließt sich der Kreis zum Heimatbegriff. Wenn Heimat das ist, wo ich mich interessiere, ich mich einbringen will, dann beschäftigt sich CRITICITY mit Heimat. Heimat im Sinne von CRITICITY ist ortsgebunden, als Nutzerin setze ich mich mit meinem unmittelbaren Umfeld, meinem Wohnort auseinander.

Es bleibt die Frage, ob Heimat auch unabhängig von Orten definiert werden kann? Hannah Arendt soll gesagt haben: Schwimmen gibt mir ein Heimatgefühl. Der Satz klang für mich immer befremdlich, braucht es doch für das Schwimmen nur ausreichend Wasser. Und die Vorstellung eines Schwimmbades oder eines Sees als Heimat? Doch dieses Jahr, als ich im türkisblauen, klaren Wasser meines Baggersees am Oberrhein schwamm, verstand ich, was gemeint sein könnte.