Über Lindenbäume

Dass Münster die Hauptstadt der Fahrradfahrenden ist, wusste ich. Wirklich überrascht war ich aber von den vielen Lindenbäumen in der Stadt. Linden, nahezu überall und reichlich. Die Linde ist ja nicht ganz einfach als Stadtbaum, auch wenn sie sich stadtklimatisch meist gut eignet und die perfekte Bienenpflanze ist. Aber Blattläuse lieben Linden leider auch und der Honigtau, den sie absondern, ist eine ziemlich klebrige und unangenehme Sache: färbt Bodenbeläge, verklebt Bänke, den Autolack und auch die Fahrräder. Doch nichts geht über den betörenden Lindenduft zur Blütezeit im Juni und Juli, der mich immer ganz schummrig im Kopf macht. Wunderbar. Und so spazierte ich durch Münster, staunte darüber, wieviele Fahrradfahrer in eine Stadt passen und wie gemütlich das trotzdem sein kann und landete schließlich auf dem Domplatz mit seinem merkwürdig verbauten und gestückelten, halb romanischen und halb gotischen Dom, dessen Türme etwas zu breit und zu kurz geraten sind. Auf dem Platz einer der größten und schönsten Wochenmärkte, voller Menschen und sehr entspannt trotz Regen. All das gerahmt von Linden – großen und kleinen, alten und jungen als Baumhaine und frei, schier gar wahllos, verteilt als Solitäre, dazu ein altes Natursteinpflaster. Das war so schön, dass ich mir unweigerlich die Frage stellen musste, warum manch neuer Platz trotz aufwendiger Planung so trostlos daherkommt? Neigen wir dazu, alles totzuplanen und  sollten wir bei den Bäumen nicht einfach mutiger sein? Dann tropft es eben.

Warum ich einen Blog schreibe

In meinem Berufsleben schreibe ich viel: Mails und Briefe, Projektanträge, Vorlagen für den Gemeinderat, Fachartikel, meine Dissertation. Manchmal lange Texte, manchmal kurze. Vor einigen Jahren habe ich Facebook für mich entdeckt. Und bei aller berechtigten Kritik an diesem Medium kommt es ja darauf an, was man damit macht. Facebook ist, zumindest für mich, eine wunderbare Möglichkeit für Fotos, Kommentare und den Diskurs.

Meine Themen? Stadt- und Freiraumplanung, Radfahren und Zu Fuß Gehen, Parks und Gärten, Häuser und das ZWISCHEN DEN HÄUSERN, Natur und Landschaft, Garten, Brunnen und Wasserspiele.

Warum? Es ist mein Beruf, aber es ist noch mehr. Ich laufe gern durch Stadt und Dorf, komme viel herum, beobachte gern – und ich diskutiere gern über das, was ich sehe, was mich bewegt, worüber ich mich ärgere oder freue.

Noch etwas kommt dazu.

Ich lebe auf dem Land – genauer gesagt im ländlichen Raum Baden-Württembergs in einem Dorf mit mehreren Ortsteilen und einigen schönen Fachwerkhäusern, mit schlechter ÖPNV-Anbindung, eher schrumpfender Bevölkerung und dennoch mehreren Neubaugebieten für viele neue Einfamilienhäuser. Ich lebe in einem Dorf mit drum herum Intensivlandwirtschaft und zum Glück noch einigen Streuobstwiesen, einem Biobauern und einigen Hofläden, mit kleinen Bächen, Baggerseen mit klarem Wasser und dem wundervollen Rhein. Ich mag die Nachbarschaft des Dorfes mit dem Gespräch über den Gartenzaun, die vollen Körbe mit Obst, die weitergegeben werden, wenn es für die einen zu viel wird. Wie vielerorts im ländlichen Raum ist es selbstverständlich, überall hin mit dem Auto zu fahren – und wenn es nur 100 Meter entfernt ist – obwohl es ein passables Radwegenetz gibt. Ich lebe in einem Dorf, in dem man Mitglied in einem Verein sein sollte, man sich als Bürger oder Bürgerin ansonsten aber kaum einbringen kann, was vielen offenbar egal ist. Mein Dorf und die Gegend drum herum sind lebenswert, aber nicht weil politisch sonderlich viel dafür getan wird (abgesehen von einigen wenigen Unermüdlichen), sondern weil es hier schon immer schön war. Gleichzeitig verändert sich das Land immer mehr, was am deutlichsten daran sichtbar wird, dass es für Insekten, Igel, Hasen und viele Vogelarten immer schwieriger wird zu überleben.

Ich lebe auch in der Stadt – genauer gesagt an drei Tagen in der Woche in einer Universitätsstadt in Baden-Württemberg. Diese Stadt hat eine hohe Geburtenrate und wächst gerade stark, weshalb Wohnungsmangel herrscht. Die Stadt hat einen hohen Anteil an Menschen mit Hochschulabschluss und scheinbar reden alle überall mit. Es ist eine Stadt, in der intensiv um politische Entscheidungen gerungen wird und eine Stadt, die den Umbau zur lebenswerten Stadt vor vielen Jahren begonnen hat. Der Anteil im Umweltverbund (Rad, Fuß, ÖPNV) liegt bei 76 % (Binnenverkehr). Diese Stadt ist so, wie ich mir eine lebenswerte Stadt wünsche: mit lebendigen und individuellen Stadtquartieren, einer wundervollen Altstadt und mit vielen Menschen auf der Straße, die dich anschauen und dich wahrnehmen, wenn du Ihnen begegnest.

Das eine wie das andere hat natürlich mit der örtliche Lage zu tun (Stadt/Dorf), es hat mit Stadtplanung zu tun und mit dem Verständnis für Grün und Freiräume, vor allem aber hat es mit Politik zu tun, mit der großen in Bund und Land und mit der Kommunalpolitik. In meinen beiden Wohnorten könnte dies kaum unterschiedlicher sein. Mein Dorf hat einen Bürgermeister, der sehr jung ist (von nicht wenigen Menschen wurde er gerade deswegen gewählt), den man kaum im Ort trifft, dessen Ideen für die Entwicklung des Dorfes nicht erkennbar sind (falls er welche hat), der offenbar nicht gern mit seinen Bürgern diskutiert und der die 2 km Arbeitsweg zum Rathaus jeden Tag mit seinem großen, wichtigen Auto fährt. Die Stadt hat einen Oberbürgermeister, der zu vielem etwas zu sagen hat, der die Diskussion mit seinen Bürgerinnen und Bürgern sucht, der beharrlich den ökologischen und sozialen Umbau seiner Stadt vorantreibt und der mit seinem E-Bike fröhlich von Termin zu Termin radelt.

Das ist der Spannungsbogen, in dem sich für mich Stadt- und Freiraumplanung bewegt. Und so habe ich zwei Labore – ein Stadtlabor und ein Dorflabor und freue mich, dass mir beide so viele Anregungen bieten. Und das muss man doch teilen, oder?